Deutscher Kinderschutzbund

 

 

 

Erfahrungen aus 2 Jahren Coronapandemie - Interview mit Dr. Roland Adelmann und Dr. Matthias Alex

Gesellschaft

Seit nun 2 Jahren bestimmt Corona das private, schulische und berufliche Leben der gesamten Bevölkerung. Das neue Virus SARS-CoV-2 führt zu schweren Erkrankungen, in vielen Fällen auch zum Tod. Durch immer neue Virusvarianten mussten sich nicht nur Wissenschaftler umstellen, für uns alle gab es immer wieder Neuerungen. Dies führte auch zu Fehlinformationen und Verschwörungstheorien. Wolfgang Brelöhr (SPD-Fraktionsvorsitzender in Engelskirchen und Vorsitzender des Kreisgesundheitsausschusses) führte per Videokonferenz ein Interview mit Dr. Roland Adelmann (Chefarzt der Kinderklinik am Klinikum Oberberg) und Dr. Matthias Alex (Assistenzarzt auf der Intensivstation am Klinikum Oberberg).

Dr. Alex, Pfleger:innen in Alten- und Krankenpflege und Ärzt:innen im ambulanten und stationären Bereich waren sehr gefordert: Wie ist Ihr Fazit nach 2 Jahren auf der Corona-Isolierstation?
Noch vor 2 Jahren hätte niemand gedacht, was für enorme Auswirkungen dieses Virus auf die gesamte Welt und jeden einzelnen haben würde. Den Begriff „Pandemie“ kannte man zwar, hatte aber keine praktische Vorstellung davon. Die vergangenen Jahre haben uns gezeigt, wie wir altes Wissen über die allgemeine Pandemiebekämpfung auffrischen und zugleich neues Wissen über SARS-CoV-2 und COVID-19 erlangen können. Forschung, Politik, Medizin, aber auch jede:r Einzelne war und ist gefordert. Im Krankenhaus mussten wir die Abläufe sowohl in der Aufnahmesituation, auf der Infektionsstation und auf der Intensivstation permanent an die neusten Erkenntnisse anpassen und optimieren. Unterm Strich ist es uns in Oberberg gut gelungen und die Versorgung war jederzeit gewährleistet.

Wieviele Kinder sind direkt oder indirekt betroffen, Dr. Adelmann?
Es sind ausnahmslos alle Kinder und Jugendliche betroffen. Seit über zwei Jahren hören sie ständig schlechte Nachrichten über Tod und Gefahren. Ein normales Leben mit unbeschwerten Treffen, Spielen, Feiern und Vereinsleben ist für sie nicht möglich. Das hat direkte Auswirkungen auf ihr Sozialverhalten, ihre Erfahrungen und ihr Glücklichsein. Es ist anstrengend im Moment Kind zu sein!

Durch die Impfung gab es ab Ende 2020 einen Riesenfortschritt. Dr. Adelmann, sie sind im Krankenhaus Leiter des Impfteams: Wie erleben Sie die Impfskepsis?
Viel wichtiger ist doch erstmal zu sagen, dass die überwiegende Mehrheit gemeinsam an dem Ziel arbeitet die Epidemie zu überwinden. Ich habe viel mehr positive Rückmeldungen, Bereitschaft und auch Dankbarkeit für die Impfungen erlebt, als ich erwartet hatte! Im Gesundheitswesen sind die meisten Abteilungen zu über 95% geimpft und nehmen freiwillig auch an den Boosterungen teil. So sieht die Realität aus!

Und wie beurteilen Sie beide persönlich die z.Zt. diskutierte Impfpflicht?
Dr. Alex: Dies ist eher eine politische als eine medizinische Frage. Grundsätzlich bin ich gegen solche Pflichten. Menschen sollen frei entscheiden und aktiv auf der Basis von Fakten und ggf. Vertrauen überzeugt handeln. Eine Impfflicht hätte vergangenen Herbst bei der damals vorherrschenden Delta-Variante sicherlich viel Leid und Sterben verhindern können. Circa 90 - 95% aller Intensivpatienten in Gummersbach waren leider ungeimpft. Aktuell haben wir jedoch aufgrund der Omikron-Variante trotz massiv höherer Inzidenzen eine zum Glück geringere Krankheitsschwere und somit eine geringere Belastung der Krankenhäuser.

Adelmann: Persönlich halte ich die Impfpflicht für Bereiche in denen man gefährdete Personen betreut (also Krankenhaus, Pflegeeinrichtungen, ambulante Pflegedienste) für absolut sinnvoll.

Zu Beginn der Pandemie wurde der Zusammenhalt in der Gesellschaft hervorgehoben: Dr. Adelmann, was bedeutet für Sie Solidarität im Zusammenhang mit Corona in den vergangenen zwei Jahren und aktuell?
Zu versuchen wieder miteinander zu reden und zu verstehen wovor der andere Angst hat, egal ob diese wissenschaftlich begründbar ist oder nicht. Gerade für die jungen Menschen sind mehr Freiheiten und Verständnis notwendig. Wer sich zurück erinnert wieviel Freiheiten man als 16 oder 17 jähriger selber hatte, der sollte versuchen auch heute den Jugendlichen zuzugestehen, dass Sie sich treffen, reden und zusammen sein dürfen!

Informationen aus der Wissenschaft hatten in den letzten 2 Jahren Hochkonjunktur: Welche Informationsquellen empfehlen Sie, Dr. Alex?
Den Podcast „Coronavirus-Update“ von Christian Drosten und Sandra Ciesek kann ich allen sehr empfehlen. Die beiden Virologen gehen hier auf die neusten Entwicklungen ein und erklären verständlich die aktuelle Faktenlage. Ansonsten ist das Robert Koch-Institut (RKI) die zentrale Einrichtung, die sich mit der öffentlichen Gesundheitspflege auseinandersetzt. Durch die vielen Mitarbeiter und dem Zugriff auf alle Daten ist es - neben weltweit publizierten Studienergebnissen – die wichtigste Informationsquelle.

Dr. Adelmann, welche Rolle spielt die Aufklärung der Bevölkerung?
Die Bevölkerung ist viel besser aufgeklärt, als es den Anschein hat. Dies merke ich jeden Tag in den Aufklärungsgesprächen über die Impfung. Wir haben vielleicht noch ein schweres Jahr vor uns, dann wird hoffentlich eine Coronaimpfung wie die Grippeimpfung einmal im Jahr eine reine Routine sein. Und wenn wir ein bisschen Glück und Unterstützung von oben haben werden wir dann alle miteinander wieder normaler leben können.

Wie geht es Ihnen beiden persönlich?
Dr. Alex: Pandemie macht müde, da man beruflich aber natürlich auch im Privaten davon betroffen ist. Die vielen positiven Rückmeldungen sowohl beim Impfen, als auch in der unmittelbaren Patientenversorgung motivieren dabei sehr. Es tut gut, wenn man zum Beispiel von schwerstkranken Patienten, die wir an eine „künstliche Lunge“ (ECMO-Therapie) verlegen mussten, hört, dass sie es überlebt haben und nun in einer Reha oder sogar schon wieder zu Hause sind. Man ist also froh und auch ein bisschen stolz, seinen eigenen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten zu können.

Dr. Adelmann: Die lange Ausnahmesituation ist anstrengend, aber ich hoffe sehr, dass es diesen Sommer besser wird!

Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg bei der Pandemiebekämpfung!